Im Tages-Anzeiger ist heut nicht nur ein Bericht über den Einsturz der Morandi-Brücke in Genua zu finden, sondern auch ein Artikel über die Stellungnahme der Akademien der Wissenschaften (SCNAT) zum CO2-Gesetz. Was auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeit aufweist, offenbart auf den zweiten Blick erschreckende Parallelen.
Korosion bekannt
Im Bericht zur Morandi-Brücke steht, dass der verantwortliche Ingenieur – Riccardo Morandi – bereits in den 80er Jahren darauf hinwies, dass die Brücke unerwartete Abnutzungserscheinungen zeigen würde. Seine Hinweise wurden missachtet und die notwendigen Pflege- und Sanierungsarbeiten nicht durchgeführt. An einem der eingestürzten Pfeiler wurde während 27 Jahren weder Unterhalt noch Kontrolle vorgenommen. Hätte man auf Riccardo Morandi gehört, wäre die Brücke vermutlich nicht eingestürzt, oder sie wäre zumindest rechtzeitig gesperrt worden.
Gletscher schmelzen
In derselben Ausgabe wird in einem dritten Artikel («Gletscherforschern geht das Eis aus», von Martin Läubli) zum wiederholten Male festgehalten, dass unsere Gletscher zu schnell schmelzen. Diese bekannte Tatsache ist genauso ein Fakt, wie es die Abnutzungserscheinungen an der Morandi-Brücke waren.
Mischt Euch ein!
Wer den Artikel zum SCNAT-Positionspapier liest, könnte zur Überzeugung kommen, dass die Schweiz mit den Informationen zum Klimawandel kaum anders umgehen als die italienischen Behörden mit dem Zustand der Morandi-Brücke. Diskutiert wird, ob es angebracht sei, dass sich die Wissenschaftler zum CO2-Gesetz äussert. Kritiker lassen verlauten, die Wissenschaft habe sich aus der politischen Diskussion herauszuhalten – so der Tenor einzelner Politiker.
Den Kritikern könnte man nicht heftiger widersprechen. Der dringende Aufruf der Klimawissenschaftler, das CO2-Gesetz anzunehmen, mit der gleichzeitigen Mahnung, das Gesetz sei noch nicht ausreichend, ist vergleichbar mit dem damaligen Sanierungshinweis des Ingenieurs Riccardo Morandi.
Unverantwortliches Handeln
Schlagen wir die Warnung der Wissenschaft den Wind, verhalten wir uns genauso unverantwortlich, wie die Behörden in Italien. Ich gehe sogar noch weiter: Angesichts der Tatsache, dass sich der Klimawandel immer akzentuierter zeigt, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Einmischung der Wissenschaft in die Politik.
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